Kreta Reise-Impressionen
Gourniá, die einzige vollständig freigelegte minoische Stadt auf Kreta
Die minoische Stadt Gournia liegt auf einem leicht ansteigenden Hügel an der schmalsten Stelle Ostkretas. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so erscheint - Gourniá ist die einzige vollständig freigelegte minoische Stadt auf Kreta. Paläste wie Festos und Knossos sind nur zu einem Bruchteil freigelegt. Die Ausgrabungen von Gournia umfassen ein Areal von fast 15.000 m2. Man spaziert quasi über ein Feld von Steinen und braucht schon etwas Fantasie und Vorstellungskraft, um sich anhand der Grundmauern die einstige Stadt vorstellen zu können. Aber genau diese Unberührtheit, das heißt der fehlende Versuch einer modernen Restauration, macht den Reiz der Ausgrabungen von Gournia aus.
Gournia - ein wenig Geschichte
Besiedelt war der sanft ansteigende Hügel von ca. 3000 bis etwa 1100 v. Chr., wie verschiedene Keramikfunde zeigen. Die Blütezeit der Besiedlung fiel allerdings hauptsächlich in das 17. und 16. Jh. v. Chr. Die Stadt, wie sie sich heute dem Besucher darstellt, entstand im Wesentlichen in der Neuen Minoischen Palastzeit auf dieser flachen Hügelkuppe. Sie wuchs zwar im Laufe der Zeit weiter, erlebte aber wie die anderen minoischen Paläste auch, um 1450 v. Chr. eine fast völlige Zerstörung, die offensichtlich durch die gleiche Naturkatastrophe hervorgerufen wurde. Viele Funde deuten darauf hin, die Siedlung um 1300 v. Chr. wieder bewohnt wurde. In den unruhigen Zeiten der Völkerwanderungen um 1100 v. Chr wurde Gourniá dann allerdings komplett verlassen und aufgegeben.
Rundgang durch Gournia
Wenn man Gournia betritt, fällt auf, dass die höchsten noch vorhandenen Mauern gerade mal schulterhoch sind und dass man sofort vor einem Labyrinth aus engen Kopfsteinstraßen steht. Jede dieser Wege ist nur etwa 1m breit. Was auf den ersten Blick wie ein Gewirr von Gassen aussieht, stellt sich auf den zweiten Blick als einfaches System heraus.
Zwei breitere Straßen umschlossen die Stadt wie ein Ring in einem weiten Bogen. Innerhalb dieses Stadtringes liegt das Stadtzentrum, das durch eine Reihe von Gassen relativ gleichmäßig durchschnitten wird. Eine breitere Gasse führte vom zentralen Punkt mitten durch die Stadt direkt in Richtung Meer, was darauf hindeuten könnte, dass dort der Hafen lag. Viele der Häuser waren offensichtlich zweigeschossig, was durch Reste von Außentreppen bestätigt wird.
Wenn man sich die Gassen anschaut, dann kann man vermuten, dass Gournia in vier ungleichmäßige Teile aufgeteilt war. Auch die Überreste von Kanalisationsanlagen und Wasserleitungen sind in den Ruinen erkennbar, was auf das Vorhandensein einer guten Infrastruktur hinweist.
Vermutlich lagen im Erdgeschoss der Häuser Läden und Werkstätten und im oberen Teil die Wohnungen. Es wurden viele bronzene Werkzeuge, Messer, Töpfe und Angelhaken gefunden. Vermutlich war Gournia ein großes Handwerkerzentrum. Während die Innenwände der Häuser aus ungebranntem Ziegel bestanden, waren die Außenmauern gemauert. Um die Stadt herum gab es keinerlei Befestigungsanlagen.
Offensichtlich hatten die Minoer keine äußeren Feinde zu fürchten. Der Marktplatz, die sogenannte Agora, liegt im Süden der Stadt auf einem Plateau. Von dort aus hat man einen schönen Blick auf die Bucht. Im Norden der Agora schloss sich ein palastähnlicher Gebäudekomplex an, von dem aber nur noch Grundmauern und Säulenstümpfe übrig sind. Auch eine Art Schautreppe ist vorhanden.
Der palastartige Komplex ist auf riesigen Quadern errichtet, wie wir es von minoischen Bauten ähnlicher Art kennen. Ebenso ist er um einen Hof angelegt und von Magazinräumen mit Vorratsfunktion umgeben. Nördlich des Palastes kommt man über einen gepflasterten Weg und eine kleine Treppe zu einem kleinen Heiligtum, in dem Kultgegenstände, u.a. eine Terrakotta-Göttin mit erhobenen Armen, und ein Opfertisch gefunden wurden.
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Hinweise und Tipps
Gournia liegt etwa 19 km entfernt von der Hafenstadt Agios Nikolaos im Osten von Kreta und man muss schon an der Straße aufpassen, um nicht das Hinweisschild zu übersehen. Touristenströme wie in den Ausgrabungen von Knossos sieht man hier nämlich kaum.